Das nachfolgende Interview wurde von Galen am 22.10.2008 mit Dr. Wolf-Dieter Storl geführt  


 

1. Kennst Du Wicca und wenn ja, was sind Deine Erfahrungen?
Ich kenne Wicca so am Rande als neuheidnische Gruppierung und die Leute, die ich kennen gelernt habe, kamen mir ganz klasse vor, tolle Leute. Direkte rituelle Erfahrungen mit ihnen habe ich allerdings nicht.


2. Glaubst Du an Magie, und wie erlebst Du sie?
Ja. Natürlich gibt es Magie, da ist man ja immer wieder damit konfrontiert. Wie erlebe ich die Magie? Magie ist es etwas Natürliches. Ich lebe in einer Welt, in der der Alltag immer wieder mal Brüche kriegt, wo man hinein schauen kann in den magischen Urgrund. Nicht in die Welt der Kausalität, wie sie in der normalen alltäglichen Wissenschaft beschrieben wird. Es gibt Erscheinungszusammenhänge, ungewöhnliche Synchronizitäten – wir leben in einem magischen Umfeld. Ich sehe im Leben eine magische Dimension. Ich freue mich immer, wenn sich diese magische Dimension zeigt. Ich merke zum Beispiel, wenn ich wirklich zentriert bin, wenn alles mit mir stimmt, dann kriege ich Antworten aus der Natur oder aus der Umwelt. Wir haben jetzt gerade ein Wochenendseminar über Pflanzen gemacht und haben das mit einem Ritual abgeschlossen. Gerade in dem Moment, wo wir aufhörten zu singen kamen zwei Kolkraben, umflogen uns und krächzten ganz laut. Erst kürzlich war ich in Berlin. Wir haben zum Abschluss des Seminars eine Meditation gemacht, keine geführte Meditation, weil von dem Quatsch halte ich nichts, sondern einfach die Seele hinein versenken in die Pflanzen oder in die Schönheit der Pflanze. Man versucht mit der Seele in die Pflanze hinein zu gehen. Jemand sollte mit einem Gong ankündigen, wenn dann die 2 Stunden vorbei waren. Da kam jedoch kein Gong, sondern es kamen vier Seeadler und die flogen zu uns herunter und flogen Kreise. Und das war dann das Ende des Seminars. Das waren nur ein paar Beispiele, dass man immer wieder Bestätigung kriegt, wie Echos aus der Natur. Wir leben in einer magischen Dimension, die nicht einfach zu beschreiben ist, da Gefühle und Gedanken immer mit dabei sind.


3. Bist Du religiös und welchem Glauben gehörst Du an?
Ich glaube, das gehört mit zum Grundwesen des Menschen, religiös zu sein. Man sollte ein liebendes und pflegendes Verhältnis zur Mutter Erde haben, zur Natur, zum Himmel, zu den Pflanzen. In diesem Sinne bin ich religiös. Sonst habe ich nicht allzu viel Sympathie für fundamentalistische Stifterreligionen übrig. Ich habe sehr viel von den Indianern gelernt und in Indien bin ich in die Shiva-Szene gekommen. Als ich nach Indien ging, dachte ich Krishna ist ja nett, so mit Flöte. Aber dann hat mich ein Gott in die Pfanne gehauen. Als ich da ankam, in Benares, der Stadt Shivas, bekam ich starkes Fieber und Hepatitis und lernte dann das kennen, was die Leute Shiva nennen. Ich teile die Welt nicht in Gut und Böse, ebenso wenig wie in christlich und nicht-christlich. Ich sehe, dass die alten heidnischen Kulte und die Gottheiten sich zum Teil verwandelt haben und einige erscheinen dann wieder in der Form von christlichen Heiligen, die inzwischen auch längst vergessen worden sind. Oder der christliche Jahreskreis - ursprünglich gab es den ja gar nicht. Das ist eine Anpassung an den keltisch/germanischen Kreis der Jahreszeiten. Wichtige Daten wurden dann besetzt, wie die Wintersonnenwende und die Geburt des Lichtes. Da wurde dann die Geburt Jesu hinein gesetzt. Oder die Sommersonnenwende und das hohe Fest des Baldurs wurde später von Johannes „besetzt“ usw. Das ist eigentlich eine Anerkennung der spirituellen Hintergründe, die längst schon da waren. Ich sehe, dass auch landschaftlich auf heiligen Plätzen Kirchen gebaut wurden. Als ich in Genf lebte, wurde gerade die St. Peter Kathedrale in Genf renoviert. Da stießen sie unterhalb der Kirche auf einen Jupitertempel, und Jupiter ist ja auch der Donnerer, ebenso wie Petrus. Darunter wurde dann noch ein älteres keltisches Heiligtum gefunden. Es gibt eine ständige Kontinuität und einen ständigen Wandel. Und wenn man nicht an den äußeren Bildern und den Schulmeinungen hängen bleibt, dann erkennt man, dass die spirituelle Kraft durch alle Zeitalter geht. Das gibt mir auch Hoffnung. Ich meine, wenn man nicht geankert ist in dem Wissen, dass es einen spirituellen Hintergrund und eine magische Dimension gibt und dass die Gottheiten da sind und stark sind, dass die Sonne unberührt ist und die Erde viel älter und weiser ist, wie die Menschen mit ihren Narreteien - dann würde man ja, wie viele heutzutage, verzweifeln.


4. Glaubst Du an Reinkarnation / Wiedergeburt ?
Alles geht im Kreis, der Winter wird zum Sommer - der Sommer zum Winter, der Neumond zu Vollmond - der Vollmond zum Neumond, die Jahreszeiten folgen einander, die Nacht folgt dem Tag und umgekehrt. Und deshalb frage ich mich, warum wir nicht erkennen, dass dies auch so bei uns ist. Wenn ein Kind geboren wird und man schaut es an, da kommt einem das Gefühl - bei einer natürlichen Geburt - dass das Kind die Leute um sich herum erkennt, als ob eine Persönlichkeit wiederkommt. Und jedes Kind ist anders. Bei den alten Germanen war es so, dass man sogar die Leute wieder erkannte, also diejenigen, die geboren wurden - die wieder geborenen Ahnen, die aus der Anderswelt wiederkommen. Deswegen hießen die Kinder auch Enkel. Enkel bedeutet nichts anderes wie "kleiner Ahne". Und in Indien habe ich eine Kultur erlebt, wo diese Überzeugung überhaupt nicht in Frage gestellt wurde. Es wurde so wenig in Frage gestellt, wie man sagt "morgen früh steigt die Sonne im Osten wieder auf". Und ich kann es mir persönlich anders kaum vorstellen. Ich habe auch gesehen, wie Verstorbene, wenn sie den Körper verlassen, dann noch da sind. Das habe ich hier gesehen, das habe ich in Indien gesehen. Ich bin ein bisschen hellsichtig in der Richtung. Und deswegen gab es immer Totenbegleitrituale, wo man mit den Verstorbenen einen Schritt geht. Ganz wichtig sind erstmal die ersten drei Tage, denn da ist der Tote noch sehr nahe und erscheint in der Vision der Leute, die ihm sehr nahe stehen. Und dann sind es so zwischen 40 und 50 Tage, wo die Toten herumreisen und noch Dinge tun, die sie im Leben nicht mehr tun konnten, ehe sie dann tiefer hineingehen in die Anderswelt. Den "Totenpfad" hat man das früher genannt. Deswegen haben die alten Germanen ihre Toten meistens mit Stiefeln und Schuhen begraben, damit sie gut wandern können in der geistigen Welt. Für mich ist die Wiedergeburt eine Grundüberzeugung, eine persönliche Erlebensweise, dass mit dem Tod die Sachen nicht aufhören und auch dass die Kinder nicht irgendwo aus dem Nichts kommen und dann von der Gesellschaft nur geprägt werden. Sondern dass es da auch weitergeht, vermutlich auch in einem Kreis. So kommt es mir vor. Ich glaube nicht, dass die Menschen einfach aus dem Nichts entstehen und dann wieder verlöschen.


5. Wie lange bist Du schon verheiratet?
Ja, das kommt drauf an. Auf der Erde sind es fast 36 Jahre. Die Ehe hat mit dem Wort ewig zu tun, das heißt, man war Gefährte bereits in früheren Leben und man erkennt einander wieder in diesem Leben. Das bedeutet nicht unbedingt Monogamie. Man kennt diesen Menschen, man vertraut diesem Menschen, man lernt einander erneut kennen. Aber man kennt auch andere Menschen aus früheren Leben. 


6. Wie gehen Deine Frau und Deine Kinder mit Deiner Lebensweise um?
Meine Frau ist mit mir die ersten 15 Jahre, in denen wir uns kannten, durch die Welt gereist. Wir hatten nie einen Wohnsitz länger als ein bis zwei Jahre. Und dann hat uns dieser Ort, wo wir jetzt sind, gefunden. Das war auch etwas, was aus einer magischen Dimension kam. Jemand, den ich eigentlich gar nicht kannte - das war an einem 1. Mai, also Beltane – sagte zu mir: "Ich weiß wo du leben sollst". Und ich merkte, dieser Mensch hatte eine Art Inspiration - und das kam so glaubwürdig rüber, obwohl ich ihn gar nicht kannte. Und dann habe ich mir den Ort hier angeguckt - und tatsächlich - es war DER Ort. Auch das war vermutlich vom Schicksal so bestimmt.
Tja, wie gehen die Kinder damit um? Wir haben die Kinder ziemlich frei erzogen. Am liebsten hätten wir sie hier wild aufwachsen lassen, aber das geht ja nicht in dieser modernen Gesellschaft. Als der Junge runter ins Dorf kam, hatte er lange Rastafari-Haare oder Wichtelzöpfe, wie man auch sagt. Und die Lehrerin war natürlich entsetzt. Damit er nicht gehänselt wurde, mussten wir ihm die Locken abschneiden. Die Indianer verstecken zum Teil ihre Kinder, damit sie ihre geistigen Fähigkeiten behalten und ihnen werden die Haare nicht geschnitten. Aber man lebt eben in dieser Welt und das gehört auch mit zum Schicksal. Jeder Mensch hat seine Aufgabe in der Welt und die dazu zugehörigen Begabungen, und oft "verstümmeln“ die Eltern die Kinder aus Angst oder rationalen Erwägungen. Wir haben es den Kindern vollkommen frei gelassen. Der Sohn sagte später: "Mann, ihr lebt ja wie in der Steinzeit - ihr habt ja nicht mal einen Computer". Er hatte Geld, das er von den Großeltern in Amerika bekam, gespart und sich dann so ein Computerdings zusammen gebaut. Und das hat uns natürlich auch geholfen, denn jetzt könnte ich gar keine Bücher schreiben - ohne Computer. Man macht seine Zugeständnisse an die Zeit. Ich glaube an die freie Entfaltung der Menschen und eigentlich glaube ich auch, dass die Natur möglichst ungezwungen und frei sein sollte. Das heißt auch, dass zum Beispiel die Tierhaltung natürlich sein sollte und die Menschen natürlich bleiben, denn die Spiritualität ist keine Abstraktion, sondern das Spirituelle kommt aus der Natur und gibt uns die Inspiration. Nicht aus irgendeinem Buch oder aus irgendwelchen abstrakten, rationellen Vorstellungen. Wir kriegen unsere tägliche Inspiration von den Wiesen, Feldern, Bäumen und vom Himmel und der Erde.

 

  


7. Bist Du Vegetarier?
Ich bin kein Vegetarier mehr. Wir waren es sehr lange. Bei den meisten Naturvölkern gibt es Vegetarismus in Zeiten der Askese. Die Schamanen geben dies als eine Art Opfer. Wie heute die Tiere aufgezogen und misshandelt werden, also Hühner-KZs, Massentierhaltung, voll gestopft mit Antibiotika, diese sadistisch brutale Weise, das wäre ein guter Grund vegetarisch zu leben.


8. Was hältst Du von Lithotherapie (Steinheilkunde) und deren Wirkung?
Ich denke, da ist viel dran, wenn jemand damit umzugehen weiß. Ich kenne das von den Indianern. Zum Beispiel werden dort heiße, erhitzte Steine aufgelegt. Ich habe auch früher manchmal erlebt, wo ich in Wyoming gewandert bin, dass mir Steine begegnet sind, die eine Kraft und eine Macht ausgestrahlt haben. Und wenn ich sie mitnehme, dann würde ich diese Kraft und Macht haben. Deswegen wurden auch bei vielen Völkern Steine gesammelt. Ebenso die früheren Fürsten, die dann vor allem Edelsteine in ihre Kronen und Ringe fassen ließen. Das hat alles seine Wirkung, aber ich habe meistens auf die Steine verzichtet. Ich habe sie liegen gelassen. Manchmal geben mir Leute, die von magischen Orten stammen, und dann lege ich sie bei mir hin, aber dann vergesse ich wo sie her habe.


9. Wie siehst Du die "zivilisierte" Gesellschaft im Umgang mit der Natur ?
Da kann ich mich bündig fassen, es ist pervers was sie mit der Natur anstellen. Die Natur wird als Gegenstand gesehen, die zum ausbeuten ist. Zivilisation kommt ja vom Wort "zivis", das heißt "Bürger". Es besteht keine Verbindung zur Natur, ich würde sagen, das ist eher eine "Syphilisation". Alles, was sich so weit von der Natur entfernt, wird notgedrungen krankhaft, es hat keinen Bestand. Die Zivilisation steuert auf eine Katastrophe zu. Man sieht es ja jetzt gerade in der Finanzwelt und in der Politik.


10. Wo fühlst Du Dich wohler, im Wald oder unter Menschen?
Also ich fühle mich im Wald wohler.


11. Welcher Mensch hat Dich am meisten beeindruckt und warum ?
Es gab sehr viele, aber sehr stark hat mich der Arthur Hermes beeindruckt. Das war ein Bergbauer in der Schweiz, der an einem heiligen Ort, wo Megalithsteine waren, seinen Einödhof hatte. Er hat alles noch mit Hand gemacht, mit Ochsen oder Pferden gepflügt. Seine Tiere konnte er praktisch mit seinen Gedanken rufen. Wenn Besucher kamen, meldete sie ihm ein Specht. Ich war sehr stark beeindruckt wie er auf diese Weise lebte. Er kam mir vor wie ein wiedergeborener Druide. Aber dann, als ich ihn besser kennen lernte, kam er mir noch älter vor, so wie ein Priester aus der Megalithzeit. Und für ihn war die Erde heilig und lebendig und er konnte nicht verstehen, dass es Wissenschaftler gibt, die dies leugnen. Ihm war die Sonne heilig - er war archaisch christlich - für ihn war die Sonne Christus. Alles war für ihn lebendig und er hat einen großen Zauber auf mich ausgeübt. Ich war praktisch verzaubert von ihm.
Später habe ich dann die Cheyenne kennen gelernt, ganz besonders einen alten Medizinmann, Bill Tallbull, und der hat mir dann eine andere Vision gegeben. Und zwar aus der alten Steinzeit, aus der Zeit der alten Großwildjäger und Sammler. Diese Vision ist in Wyoming leicht zu bekommen, denn da gibt's ja noch Bären und Wapiti-Hirschherden. Ich bin dann oft mit den Hunden los gezogen, die im Dorf waren. Ich habe sie einfach angeheult, 15 Stück meistens, die teilweise so groß wie Wölfe waren. Ich hatte Visionen von der Zeit, bevor die Menschen zu Bauern wurden und bevor sie sich niedergelassen haben. Das hat mich ein bisschen befreit von dem Zauber, der von Arthur Hermes ausging. Aber Arthur Hermes respektiere und verehre ich trotzdem. Denn unser Weltbild und unsere Ansichten sind ja eine Art Zauber. Und nun ist es die Frage ob es ein guter Zauber oder ein böser Zauber ist, der die Menschen unfrei macht, zwingt und unglücklich macht. Dies alles hat mitgeholfen, mich von der Zivilisation einigermaßen zu befreien.


 

12. Welche historische Person hat Deiner Meinung nach die Kräuterheilkunde am meisten beeinflusst?
Eigentlich war die Kräuterheilkunde immer in den Händen der alten Großmütter, manchmal auch der Großväter. Das Wissen wurde dann immer mündlich weitergegeben. Diejenigen, die Kräuterbücher schrieben, vor allem in der Spätrenaissance, übernahmen dieses Wissen. Sehr wichtig war der Kräutervater Kneipp* und für mich ganz besonders, und das ist fast wie eine magische Beziehung, die Maria Treben**.
* Sebastian Kneipp (geboren 17.05.1821 in Stephansried, gestorben 17.06.1897 in Bad Wörishofen) war ein bayerischer Priester, Kräuterkundiger und Hydrotherapeut.
** Maria Treben (geboren 27.09.1907 in Saaz/Böhmen, gestorben 26.07.1991 in Grieskirchen/Österreich) war eine Kräuterkundige und Autorin.


13. Was ist Deine Lieblingspflanze?
Ich habe mehrere, aber der Beifuß ist für mich ein ganz starker und verlässlicher Verbündeter. Und das schon seit Jahren.


14. Laut Deinen Büchern wachsen ja alle Pflanzen dort wo sie wollen. Stellst Du einen Unterschied bei Pflanzen fest, wenn sie in der freien Natur oder in kultivierten Beeten wachsen beziehungsweise angebaut werden?
Es ist ein Unterschied. Ich gehe eigentlich nie zu Ärzten und das schon seit Jahrzehnten. Die Heilpflanzen für mich und meine Familie suche ich meistens in der Wildnis, also im Wald oder auf der Wiese - dort, wo sie von alleine wachsen. Angebaute Heilpflanzen benutze ich fast nie. Aber ich baue einige an, weil es eben schöne Pflanzen sind. Ebenso natürlich Nahrungspflanzen, also Gemüse und Kartoffeln, die wir brauchen - die pflanze ich natürlich selber an.


15. Was ist mit Kräutern, die in Töpfen gezogen werden?
Da halte ich nicht so viel davon, aber wenn man in der Stadt lebt und will ein paar Lieblingspflanzen in Töpfen ziehen, ist ja nichts dagegen zu sagen.


16. In Deinen Büchern, wie auch auf den CDs, sprichst Du oft von Deinen Erfahrungen. Allerdings oft in einer Art, dass man glauben könnte, es handelt sich nur um Geschichten oder Interpretationen. Inwiefern bist Du Anthropologe, der einfach nur Daten sammelt und inwieweit glaubst Du selber an die Dinge, von denen Du schreibst?
Ich habe ja Ethnologie und Kulturanthropologie gelernt und später auch unterrichtet, aber ich bin nicht jemand, der Sachverhalte nur objektiv und intellektuell feststellt, sondern ich versuche mit Leib und Seele dabei zu sein. Einige beobachten nur so, wie man Käfer beobachtet, und andere versetzen sich in die Käfer hinein. Ich habe mich meistens hinein versetzt, von innen heraus. Das gibt dann den Geschichten eine persönliche beziehungsweise magische Dimension.


17. Wie versetzt Du Dich in den Zustand, in dem Du Dich mit den Pflanzen verbindest?
Vor vielen Jahren habe ich schamanische Methoden verwendet, aber heutzutage ist das Wichtigste, dass ich mir einfach die Zeit nehme. Und was sehr wichtig ist, dass mich nichts ablenkt. Ich versuche einfach das Denken beiseite zu stellen und wahr zu nehmen. Denn wenn man denkt, nimmt man nicht wahr.


18. Wenn Du Dich in einen Zustand versetzt, in dem Du mit Pflanzen kommunizieren kannst, wie lange dauert dies bei dir und wie lange hat dies am Anfang Deiner Begegnungen mit den Pflanzengeistern gedauert?
Das ist verschieden. Es kommt darauf an, ob ich andere Sachen zu tun habe. Wenn ich in irgendetwas anderes eingebunden bin und meine Gedanken nicht beruhigen kann, dauert es eben länger. Ich sitze dann in einem Baum oder neben einem Baum oder bei der Pflanze. Der Einstieg ist nicht, dass man seine Augen schließt, sondern die Sinne sind die Tore. Man muss sich mit seinem vollem Bewusstsein hinein begeben. Ich hab einmal mit einer Tollkirsche gesessen, habe mich hinein versenkt in die Tollkirsche und kam in eine tiefe Meditation. Als ich wieder aus der Meditation heraus kam, merkte ich, dass ein Tier neben mir saß. Ein Marder - und der hatte Augen, genauso wie eine Tollkirsche. Er schaute mich an, als ich aus der Versenkung rauskam und wollte wegspringen. Er merkte aber, dass ich vollkommen entspannt war, schaute mich an, lief ein paar Schritte und verschwand dann. Ich hatte den Eindruck, als ob der Geist der Pflanze hinein geschlüpft war in dieses Tier, um zu sehen – „Wer ist denn da, der sich so intensiv mit mir befasst?“. Das Wichtigste ist eine seelische Offenheit und ein waches Bewusstsein. Dann stellt sich heraus, dass die Pflanzen mehr sind als wie sie in den Botanikbüchern erscheinen. Pflanzen haben auch einen seelischen und geistigen Aspekt. Andere Leute nehmen dazu zum Beispiel Pilze oder andere pflanzliche Hilfsmittel. Das kann man auch, aber man muss es nicht unbedingt tun. Wenn man versucht, sich mit Gewalt in einen solchen Zustand zu versetzen, dann kommt man nicht weit.

 


19. Welche anderen Pflanzenbücher kannst Du empfehlen?
Zum Beispiel „Geist der Bäume“ von Fred Hageneder, „Pflanzengeheimnisse“ von Willy Schrödter. Ich lese eigentlich wenig Pflanzenbücher in letzter Zeit beziehungsweise in den letzten Jahren. Wer interessiert ist, Pflanzen zu erkennen, dem empfehle ich die „Flora Helvetica“ von Konrad Lauber und Gerhart Wagner von Haupt.


20. Wie ist Dein Verhältnis zu Christian Rätsch? 
Christian Rätsch* ist ein guter Freund und Kollege von mir. Ich finde seine Forschungen hervorragend. Er macht es ja so in der Art wie ich, nur eben in Bezug auf psychedelische Pflanzen. Er ist kein abstrakter Theoretiker, sondern er weiß, wovon er spricht
* Christian Rätsch (geb. 1957 in Hamburg) ist ein bekannter Anthropologe, Ethnopharmakologe und Buchautor, der sich mit schamanischen Kulturen und dem Einsatz von psychedelischen Pflanzen beschäftigt.


21. Wie ist Deine Haltung gegenüber bewusstseinserweiternden Drogen? 
Was wichtig wäre ist, dass Leute lernen würden, richtig damit umzugehen. Dass mit der ganzen Hysterie in der heutigen Zeit aufgehört werden sollte. Albert Hofmann* hat diese Pflanzen „Psychovitamine“ genannt. Pflanzen schenken uns ja sehr viel - die Luft, die wir atmen, unsere Nahrung, Holz für unsere Häuser, Kleidung, aber auch geistige Nahrung. Es sind notwendige Geschenke zu bestimmten Zeiten. Da hat ja auch Ernst Jünger mal ein Buch darüber geschrieben.
* Albert Hofmann (geb. 11. 01. 1906 in Baden, Aargau, gestorben 29.04.2008 in Burg im Leimental), Schweizer Chemiker, Buchautor und Entdecker des Lysergsäurediethylamids (LSD)


22. Salvia Divinorum wurde ja im März dieses Jahres auf den Index des Betäubungsmittelgesetzes gesetzt. Was sagst Du dazu?
Ich selber habe mit dem Wahrsagesalbei keine Erfahrung, aber ich finde es schrecklich, dass Pflanzen verboten werden. Alkohol, der so viele Menschen umbringt, wird auch nicht verboten. Wir brauchen eine Kultur des Bewusstseins. Und dazu gehören auch bestimmte Pflanzen.


23. Wie gehst Du mit der Kritik zu Deinem Buch über die Borreliose um, zum Beispiel mit der von Martin Koradi vom „Seminar für Integrative Phytotherapie“?
Martin Koradi … eigentlich kann sich jeder so einen Briefkopf machen und so ein Institut gründen. Er ist selbst unter Phytotherapeuten umstritten. Er ist ein reiner Materialist, für ihn zählen nur die Wirkstoffe. Seine Kritik ist nicht richtig sachlich. Zum Beispiel hat er mich angegriffen, weil ich sage, dass Antibiotika nicht helfen. Das habe ich nicht gesagt - ich habe nur gesagt, wenn man zu spät - und meistens merken es die Leute zu spät, dass sie infiziert sind - mit der Antibiotikabehandlung beginnt, dass diese dann nicht wirkt. Dann hat er geschrieben, wenn sie meinen Ratschlägen folgen, dass die Patienten sich der Gefahr einer lebenslangen Invalidität aussetzen. Nun, mittlerweile ist dies anerkannt. Ein internationales „Ad hoc Komitee für Lime Disease“ (Borreliose), bestehend aus den medizinischen Koryphäen aus Yale, Harvard, Oxford und so weiter, fast 100 Leute, hat festgestellt, dass bei chronischer Borreliose Antibiotika nicht helfen, sondern sich bei langfristiger Anwendung schädlich auswirken. Der Vorwurf, dass die Leute bei der Überhitzungstherapie sterben würden, bei 42 Grad Celsius, das wäre nur der Fall bei chronischen Herz-/Kreislaufkranken, Epileptikern. Diese Temperatur wird erreicht in den meisten Schwitzhütten oder japanischen Bädern. Diese Wärme können die Borrelien nicht ertragen. Dies ist auch die Grundlage der Syphilis-Kur der Indianer, die überaus erfolgreich war – Schwitzhütte zusammen mit einem pflanzlichen Reiniger, zum Beispiel Sarsaparilla (Stechwinde). Syphilis ist ja sehr nah verwandt mit der Borreliose. Ich verwende eher hier wachsende Pflanzen und doch hat sich die Karde angeboten. Koradi macht da Behauptungen und spielt sich auf. Er hat eigentlich keine richtigen Qualifikationen. Für ihn sind Pflanzen nur tote Behälter von Wirkstoffen. 

 

Zum Beispiel sagte er, dass es ein Experiment an der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich gab und da wurde die Kardentinktur auf eine Borrelienkultur getropft. Die Borrelien seien nicht gestorben, sondern sie wurden danach sogar noch munterer. Erst mal glaube ich, dass es dieses Experiment gar nicht gab, denn die Borrelien lassen sich nicht „in vitro“ züchten, also man kann sie nicht in einer Petrischale züchten. Sie brauchen einen lebendigen Wirt. Deswegen sind sie so schwer zu untersuchen. Und zweitens, wenn es überhaupt der Fall gewesen wäre, was ich anzweifle, dann ist das noch längst kein Beweis, denn töten heißt nicht unbedingt heilen. Ich vermute, dass die Karde so wirkt wie es Brennnesseljauche bei der Bekämpfung der Blattläuse macht – sie ändert das Milieu. Die Brennnesseljauche tötet die Blattläuse nicht, sondern verändert die energetische Umgebung, so dass sich die Blattläuse nicht mehr wohlfühlen und „abziehen“. Das scheint im Fall der Karde auch so zu sein. Es gibt ja auch bei einigen Borreliose-Patienten eine „Herksheimer Reaktion“, das heißt die Borrelien sterben ab und die Reaktion ist dann auf die Toxine und auf die „Trümmer“, die diese Borrelien hinterlassen. Wenn das vorbei ist, geht es den Patienten gut. Ich habe hunderte von Rückmeldungen von Betroffenen erhalten, die richtig dankbar sind. Ich persönlich bin ja auch dankbar, ich habe dieses Buch ja nur geschrieben, weil ich mich selbst mit diesen Methoden geheilt habe – ich hatte ja selber Borreliose. Aber der Koradi hat da überhaupt kein Standbein. Ich weiß gar nicht, warum er so wütend reagiert - es sei denn er will sich eben profilieren. 


24. Was hältst Du persönlich von den südamerikanischen "Schamanen", die jedes Jahr über Deutschland "hereinfallen"?
Die Frage ist schwierig zu beantworten. Man muss sehen, was sie wirklich für eine Gesinnung haben, ob sie liebend daherkommen oder ob es nicht eine Art Missionierung ist. Genauso wie die Padres und Missionare über Südamerika hergefallen sind. So ganz toll finde ich es nicht. Ich habe auch junge Leute gesehen, in Ayahuasca-Gruppen, die eigentlich vollkommen unvorbereitet waren. Und die waren dann so offen und seelisch verletzbar, dass sie dann von Geistern oder was auch immer besessen worden sind. 


25. Wird man nicht "müde" immer wieder die gleichen Fragen zu bekommen und sie zu beantworten?
Nö, das eigentlich nicht, denn man betrachtet und beleuchtet das Thema immer wieder auf eine andere Weise. Auch wenn ich die Kräuterwanderungen mache, jedes Mal erfahre ich ein bisschen mehr. Es ist, als wenn die Pflanze immer irgendwie ein Stückchen näher rückt. Man kommt nie ans Ende. Man liebt das so sehr, das man gerne darüber redet. Einige persönliche, psychologische Fragen – die können zum Teil lästig sein, aber da habe ich zum Glück wenige.


Wolf-Dieter, ich danke Dir recht herzlich, dass Du Dir die Zeit für dieses doch recht ausführliche Interview genommen hast.